Mit den Kameraeinstellungen bewusst die Bildwirkung verändern – Workshop

Basics der bewussten Motivgestaltung mit Belichtungszeit, Blende und Brennweite

In diesem Workshop zeige ich, wie Du ganz einfach kreative Bilder gestaltest. Dazu erkläre ich die Basics der Kameratechnik. Ich zeige, wie man dem Bild durch Einstellen von Belichtungszeit, Blende und Brennweite den eigenen Look mitgeben kann. Im Anschluss gebe ich weitere Tipps zur Bildgestaltung.
Und ganz am Ende verrate ich dir das Geheimnis der Fotografie …

 

Die Kamera macht doch alles selbst. Wieso sollte ich denn etwas manuell einstellen?

Foto ist nicht gleich Foto. Es macht einen Unterschied, ob ich einfach nur mein Motiv „abknipse“ oder mir Gedanken mache, wie ich ein Bild ausdrucksvoll und kreativ umsetze. Die Automatiken der Kameras und Smartphones machen das Fotografieren zum Kinderspiel, indem sie alle Einstellungen (oft bis zur Nachbearbeitung und Retuschieren der Fotos) von selbst übernehmen. Die so „geschossenen“ Fotos sehen dann meist gut aus. Die technische Bildgestaltung bleibt aber im Mainstream des Allgemeingeschmacks, da alle ähnlichen Situationen auch mit ähnlichen technischen Einstellungen fotografiert werden.

 

Dieses Porträt wurde mit einer langen Belichtungszeit fotografiert.
(Foto von Mathias Reding – pexels.com)

 

Will ich als Fotograf*in dem Bild eine besondere (meine persönliche) Note mitgeben, sollte ich wissen, wie ich das gestalterische Potential meiner Kamera ausnutzen kann. Neben der Bildkomposition durch Standort und Wahl des Ausschnitts geschieht dies durch drei Parameter, die bei der Kamera bewusst gewählt werden.

Wahl der Belichtungszeit: Bestimmt die aufgenommene Bewegungsunschärfe. Legt fest, ob sich bewegende Objekte scharf oder verschwommen dargestellt werden.

Wahl der Blende: Bestimmt, wie weit vor oder hinter dem Motiv Schärfe zu erkennen ist, beziehungsweise, wie schnell das Bild vor und hinter dem Scharfstellpunkt unscharf wird.

Wahl der Brennweite (oft auch „zoomen“ genannt): Verändert unter anderem das Größenverhältnis von Vordergrund zu Hintergrund.

Eine Systemkamera oder Spiegelreflexkamera erweist sich dabei als das gestalterische Werkzeug schlechthin, da ich hier durch Wahl von Zeit, Blende und durch den Wechsel von Objektiven alles gezielt steuern kann. Eine gute Kompaktkamera ermöglicht meist ebenfalls das gezielte Einstellen von Zeit, Blende und Brennweite. Bei Smartphones und iPhones hängt das stark von den Kamera-Apps ab. Wenn die Standard App keinen „Pro“ oder „manuellen“ Modus hat, lässt sich oft eine andere App finden, die das kann.

 

Steuerung der Bewegungsschärfe und Bewegungsunschärfe mittels der Belichtungszeit

Wenn die Kamera auslöst, um ein Foto zu machen, lässt sie für eine bestimmte Zeit Licht durch den Verschluss auf den Sensor oder Film fallen. Diese Zeit wird Belichtungszeit genannt. Durch die Wahl der Belichtungszeit lege ich fest, ob Bewegungen im Bild scharf oder unscharf wiedergegeben werden. Bei sehr kurzen Belichtungszeiten wie 1/500 Sekunde werden auch schnell bewegte Objekte eingefroren. Bei langen Belichtungszeiten verschwimmen sie.

 

Achtung: Natürlich zeichne ich bei langen Belichtungen auch die Bewegung auf, die ich selbst beim Fotografieren mache.Man spricht in diesem Fall von „Verwacklungsunschärfe“, da das Foto verwackelt aussieht.

Will ich diese bei längeren Belichtungszeiten vermeiden, muss ich die Kamera ruhig stellen. Beispielsweise auf ein Stativ oder auf einen stabilen Untergrund (Tisch, Boden, Tasche, Bohnensack …) stellen. Um zu sehen, ob das aufgenommene Foto verwackelt ist, empfiehlt es sich, dies gleich nach der Aufnahme zu kontrollieren. Wichtig ist hier, in das Bild hinein zu zoomen, um auch Details zu kontrollieren.

Wie stelle ich das ein?

Dazu muss man bei der Kamera die „Blendenautomatik“ einstellen und die Belichtungszeit vorwählen.

Oft verbirgt sie sich hinter dem Kürzel „s“ oder „tv“. Zudem gibt es irgendwo an der Kamera ein Rädchen oder Tasten, die es erlauben, den Zeitwert zu verändern. Ältere Kameras oder Retrokameras haben dafür oben am Gehäuse einen Zeitring, den man verstellen kann. Bei Smartphones gibt es in der Kamera-App oft eine „Pro“ Einstellung, in der man den Wert verstellen kann.

Kurze Belichtungszeiten frieren die Bewegung ein
und lassen Menschen oder Gegenstände schweben.
(Foto von Lil Atrsy – pexels.com)

 

Noch ein Hinweis für Fotonerds:

Bei Kameras mit Vollformatsensoren gilt folgender grober Richtwert: Ich kann keine Belichtungszeit aus der Hand heraus verwacklungsfrei halten, die länger ist als der Kehrwert der Brennweite meines Objektives. Wenn ich also mit eine 50 mm Objektiv fotografiere brauche ich eine Zeit von 1/50 Sekunde oder kürzer. Bei einem 300 mm Objektiv bedarf es einer kürzeren Zeit als 1/300 Sekunde. Für andere Sensorformate muss man die Verwacklungsgrenze mit dem Crop-Faktor korrigieren: Eine APS Kamera hat einen Crop Faktor von 1,5. Das heist das 300mm Objektiv wird bei 1/45 Sekunde verwackeln.

Bildstabilisatoren erlauben längere Belichtungszeiten.

 

Steuerung der Schärfentiefe (=Tiefenschärfe) mittels der Blende und anderer Variablen

Vor und hinter der genauen Schärfeeinstellung der Kamera gibt es einen Bereich, der uns auf dem Bild als noch scharf erscheint. Dieser Bereich wird Schärfentiefe genannt. Bei manchen Motiven kann eine möglichst große Schärfentiefe sinnvoll sein (Landschaftsaufnahmen), bei anderen ist oft eine Begrenzung des Schärfebereichs gefragt (Porträt). Die Schärfentiefe ist stark abhängig von der Größe des Loches, durch das während der Belichtungszeit das Licht auf den Sensor oder den Film der Kamera fällt:

Je kleiner die Objektivöffnung (je größer die Blendenzahl), desto größer ist der Bereich der Schärfentiefe.
Je größer die Objektivöffnung (je kleiner die Blendenzahl), desto kleiner ist der Bereich der Schärfentiefe.

 

Die Größe des Loches, durch das während der Belichtung das Licht in die Kamera fällt, wird in der Fotografie durch die „Blende“ gesteuert. Dabei handelt es sich um einen Kehrwert: Blende 2 meint ½, Blende 5,6 meint 1/5,6, Blende 22 meint 1/22.

Je größer als die Blendenzahl, desto kleiner ist die Aufnahmeöffnung des Objektivs. Gleichzeitig ist dann auch die Tiefenschärfe größer.
Eine Eselsbrücke: „Viel Zahl – viel Scharf!

 

Wie stelle ich das ein?

Dazu muss man bei der Kamera die „Zeitautomatik“ einstellen und den Blendenwert vorwählen. Oft verbirgt sie sich hinter dem Kürzel „a“ oder „av“. Zudem gibt es irgendwo an der Kamera ein Rädchen oder Tasten, die es erlauben, den Blendenwert zu verändern. Ältere Kameras oder Retrokameras haben dafür einen Blendenring am Objektiv, den man verstellen kann. Bei Smartphones gibt es in der Kamera-App oft eine „Pro“ Einstellung, in der man den Wert verstellen kann.

 

Noch ein Hinweis für Fotonerds:

Neben der Blende beeinflussen auch noch andere Variablen die Schärfentiefe.

  • Wahl der Brennweite: je größer die Brennweite, desto kleiner die Schärfentiefe.

  • Entfernung zum Motiv. Je geringer die Entfernung zum Motiv ist desto kleiner wird der Schärfentiefebereich. Im Nahbereich hat man oft nur einen Spielraum von wenigen Millimetern.

 

Veränderung des räumlichen Eindrucks durch die Wahl der Brennweite

Durch Wechsel meines Objektives oder durch „zoomen” hole ich nicht nur ein Motiv heran, sondern beeinflusse entscheidend die Bildkomposition:

  • Weitwinkelbrennweiten vergrößern den Bildwinkel, erweitern die Schärfentiefe und steigern die Tiefenwirkung. Der Hintergrund entfernt sich optisch weiter vom Motiv weg und wirkt viel kleiner als bei Telebrennweiten. Dadurch verzeichnen sie Porträts bis zum Karikaturhaften. Bei Vollformatkameras spricht man von einem Weitwinkel, wenn die Brennweite kleiner als 50 mm ist.
  • Eine Normalbrennweite hat einen Bildwinkel, der ungefähr unserem natürlichen Sehen entspricht. Bei Vollformatkameras ist das eine Brennweite von ca. 50mm.
  • Telebrennweiten verkleinern den Bildwinkel, reduzieren die Schärfentiefe und verdichten die Raumtiefe. Der Hintergrund wirkt näher und größer am Objektiv als bei Weitwinkelbrennweiten. Bei Vollformatkameras spricht man von einem Tele, wenn die Brennweite größer als 50 mm ist.

 

 

Wie stelle ich das ein?

Um die Brennweite zu verändern, muss man nur „zoomen“. Wenn man mit Festbrennweiten arbeitet (Das sind Objektive, die nicht zoomen können), muss man das Objektiv wechseln. Wenn Smartphones mehrere Objektive haben, kann man diese in der Kamera-App wechseln und so die Brennweite ändern.

Achtung: Die Brennweite ändert sich nicht, man z.B. beim Smartphone mit den Fingern am Bildschirm „zoomt“. Dadurch wird lediglich ein anderer Bildausschnitt vergrößert aufgenommen. Hier spricht man (leider missverständlich) von einem „optischen Zoom“.

 

 

 

Die Belichtungsautomatiken:
So macht die Kamera, was DU willst

Moderne Kameras und Smartphones übernehmen in der Regel alle fototechnischen Einstellungen. Dieser „Auto“ Modus ist gut für schnelle Bilder oder wenn man sich auf Auswahl von Bildausschnitt und Kameraposition konzentrieren möchte.

Möchte man das Bild bewusst gestalten, hat man die Auswahl zwischen folgenden Belichtungsmodi:

A, Av oder Zeitautomatik: Bei diesem Modus wird die Blendengröße eingestellt. Die Belichtungszeit stellt die Kamera automatisch ein.

S, Tv oder Blendenautomatik: Bei diesem Modus wird die Belichtungszeit eingestellt. Den Blendenwert stellt die Kamera automatisch ein.

P oder Programmautomatik: Dies ist eine Vollautomatik, die es oft erlaubt, durch das Drehen von Rädchen oder das Drücken von Tasten Belichtungszeit und Blende zu verändern.

M oder manuelle Belichtung: Hier stellt man Zeit, Blende (und meist auch die Lichtempfindlichkeit ISO) manuell ein und übergeht so die Belichtungsautomatik der Kamera. Auch wenn viele denken, dies sei die professionellste Art zu fotografieren, macht es nur Sinn, wenn man bewusst anders belichten möchte. Dies könnte im Studio der Fall sein oder auch bei Lightpaintings und der Astrofotografie. Im Normalfall arbeiten auch Profis zumeist mit der Programmautomatik P oder der Blenden- oder der Zeitautomatik.

 

Die meisten Kameras haben ein Rädchen, mit dem sich der Belichtungsmodus einstellen lässt. Bei Smartphones finden sich die Belichtungsvarianten meist im Pro-Modus der Kamera-App.
(Foto von Elviss Railijs Bitāns  – pexels.com)

 

Je nach Kamera oder Smartphone gibt es noch eine Unmenge anderer „Kreativautomatiken“. Beispielsweise für Porträt, Sport, Landschaft, Schneeaufnahmen. Diese passen Belichtungszeit und Blende an den jeweiligen Aufnahmezweck an. Oft (gerade bei Smartphones) übernehmen sie aber auch schon die Nachbearbeitung. Bei Porträts glätten sie manchmal die Haut, bei Landschaftsaufnahmen verstärken sie die Farben und heben Konturen hervor.

Die Resultate weichen bei genauem Betrachten oft stark von der Realität ab. Zudem sind sie eigentlich auch nicht kreativ, da sie sich an vorprogrammierten Einstellungen orientieren. Es sei denn, man nutzt sie bewusst kreativ für einen falschen Zweck und versucht beispielsweise mit der Einstellung für „Feuerwerk“ Porträts zu machen.

 

 

Und noch ein paar Worte zur Bildkomposition

Die Bildkomposition ist ein kreativer Akt und lässt sich daher nicht standardisieren. Wenn alle Bilder nach dem goldenen Schnitt komponiert wären, wenn alle Porträts mit der selben Beleuchtung und Brennweite gemacht würden, wären sie eintönig und langweilig. Hier gilt es zu experimentieren, Neues Auszuprobieren und zu schauen, wie die so gemachten Fotografien auf einen selbst und auf andere Betrachter wirken. Folgende Fragen können bei der Bildkomposition eine Rolle spielen:

  • Wo im Bild platziere ich das Motiv? (die Mitte ist oft nur der einfachste, nicht aber der interessanteste Platz)
  • Welchen Aufnahmestandpunkt nehme ich ein? Wie wirkt das Motiv, wenn ich es von nah, von fern, von oben oder von unten fotografiere?
  • Welchen Ausschnitt wähle ich? Was will ich zeigen? Was soll nicht ins Bild?
  • Was ist im Hintergrund zu sehen? Oft wird der Hintergrund beim Fotografieren vergessen.
  • Wie verändert sich der Hintergrund im Bezug zu meinem Motiv, wenn ich meine Position (leicht) verändere?
  • Wie verlaufen gestalterische Linien im Bild?
  • Gibt es Formen, Konturen und Strukturen, die ich betonen will?

 

 

Psssst!

Zum Schluss verrate ich das Geheimnis der Fotografie!

 

Ein richtig gutes Foto entsteht nur, wenn die/der Fotograf*in Bezug zu dem Motiv und dem Raum aufnimmt, in dem das Motiv eingebettet ist. Dies verlangt, dass man sich auf das Motiv einlässt, es erspürt und sich mit ihm auseinandersetzt. Es verlangt auch, dass man den Raum, der das Motiv umgibt, in die Wahrnehmung einbezieht und schaut, wie es im Verhältnis zu seinem Kontext wirkt.

Nur wenn ich selbst eine Verbindung zu meinem Motiv und dessen Kontext habe, bin ich in der Lage zu zeigen, was ich sehe, erlebe und fühle. Die Technik kann meine Bildaussage unterstützen und verstärken, sie aber nie ersetzen.

 

 

 

Wenn du noch mehr zu Bildgestaltung und Wahrnehmung erfahren möchtest:

Easypeasy Porträt-Tipps – Mit einfachen Schritten zu besseren Porträts!

Tipps für bessere Fotos – Die Fotopaed-Cheatcards

Henry Caroll: Big Shots! Ein großartiges Fotolehrbuch, das keines sein will

Buchtipp: „Wie Fotos wirken“ von Brian Dilg

Mrz 28th, 2024 | By | Category: Anleitungen, Hardware, Labor und Experimente

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